Neue Narrative für eine nachhaltige Digitalisierung
02.10.2022 , BASH
Sprache: Deutsch

Der Mensch ist ein „homo narrans“: Geschichten bestimmen unsere Vorstellungen von der Zukunft. Doch wie erzählen wir Nachhaltigkeit? Welche Rolle spielt dabei die Digitalisierung? Und wie können wir neue Narrative schaffen, die beides zusammendenken? Jan Doria stellt sein Promotionsprojekt am Institut für Digitale Ethik (IDE) der HdM Stuttgart in Kooperation mit der Uni Passau vor.


Fragt man Menschen nach ihren Vorstellungen von der Zukunft, dann antworten sie nicht mit trockenen Zahlen, sondern mit lebendigen Geschichten. Diese können als Narrative analysiert werden, die subjektive Wertvorstellungen transportieren und so beeinflussen, welche Zukunft wir gestalten. Die Methode der narrativen Ethik macht sich das zu Nutze.
Für eine sozial-ökologische Vision von Digitalisierung, die alle Menschen mitnimmt, sind Narrative also von höchster Bedeutung. Von der Forschung werden sie jedoch bisher noch nicht im gleichen Ausmaß berücksichtigt. Mein Vortrag entwickelt daher die Umrisse einer „narrativen Digitalen Ethik der Klimakrise“, die an jede Rede von der Zukunft die Anforderung stellt, eine Antwort auf das Problem der Klimakrise geben zu müssen. Ich hinterfrage kritisch, inwiefern derzeit dominierende Digitalisierungsnarrative diese Anforderung bereits erfüllen, und zeige anhand von ausgewählten Medienprodukten (zum Beispiel Dave Egger’s Roman „Every“ oder Bill Gates‘ Sachbuch „Wie wir die Klimakatastrophe verhindern“) auf, warum digitale Utopien für effektiven Klimaschutz gefährlicher sein können als digitale Dystopien. Im Anschluss daran entwickle ich auf der Grundlage von Martha Nussbaums Capability Approach erste Ansätze dafür, welche Fähigkeiten wir brauchen, um eine solche Vision zu erreichen. Dafür ist die Entwicklung einer umfassenden digitalethischen Haltung durch Wertebildung notwendig. Der Vortrag mündet in eine gemeinsame Diskussion darüber, wie „neue Narrative für eine nachhaltige Digitalisierung“ aussehen könnten. Denn wer die Welt verändern möchte, muss die Art und Weise verändern, wie wir uns die Welt erzählen.

Jan Doria ist Medienwissenschaftler, Akademischer Mitarbeiter am Institut für Digitale Ethik (IDE) der Hochschule der Medien (HdM) Stuttgart und Doktorand an der Universität Passau.